Experteninterview: „Wir wollen Risiken verstehen – mithilfe von K.A.R.L.“
Wer kennt sie nicht, die Bilder von riesigen Stellflächen an Umschlaghäfen, vollgeparkt mit Neufahrzeugen in Reih und Glied und soweit das Auge reicht? Sie zieren immer dann Nachrichten und Titelseiten, wenn Verwerfungen im globalen Handel drohen. Und sie treiben jedem Risikomanager und Versicherer der betroffenen Firmen Schweißperlen auf die Stirn. Was das mit Immobilien zu tun hat? Das erklären die Experten von vdpResearch und KA Köln.Assekuranz Agentur im Interview.
Herr Biswurm, wo hat K.A.R.L.® seinen Ursprung?
Bastian Biswurm: Die KA Köln.Assekuranz Agentur ist eine sogenannte Zeichnungsagentur und zwar mit einem Schwerpunkt in der industriellen Warenversicherung. Als solche übernehmen wir Aufgaben von Versicherungsgesellschaften, ohne selbst eine Versicherung zu sein. Wir dürfen aber in deren Auftrag handeln und den Risikotransfer organisieren. Dabei begleiten wir deutsche Industrieunternehmen und organisieren den Versicherungsschutz für ihre Warentransporte weltweit. Zu unseren Aufgaben gehört es, unsere Kunden im Hinblick auf die Schadenverhütung zu beraten und in der Risikobemessung zu unterstützen. Dabei spielt der sogenannte Gefahrenübergang im Handelsgeschäft eine wesentliche Rolle – also die Frage, in wessen Risiko, ob Verkäufer, Zwischenhändler oder Käufer, sich die Güter befinden.
Was bedeutet das konkret?
Bastian Biswurm: Sie kennen bestimmt die Bilder von Handelshäfen, an denen zeitweise tausende Autos geparkt sind – wartend darauf, dass sie per Schiff an ihren Bestimmungsort gebracht werden. Diese Fahrzeuge befinden sich vereinfacht ausgedrückt noch in der Obhut eines deutschen Autoherstellers. Und nun stellen Sie sich vor, an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt tritt ein Naturereignis wie Hagel oder eine extreme Sturmflut auf. Die Schäden wären enorm. Und das ist nicht der einzige Anwendungsfall. Denken Sie etwa an Zulieferer, die wegen Hochwasser oder Erdbeben ausfallen könnten. Das betrifft zumeist größere Regionen und damit oftmals unwissentlich sogar mehrere Partner eines Unternehmens. Das kann bis hin zum Produktionsstop führen. Um die Risiken im Zusammenhang mit Naturgefahren verstehen und einschätzen zu können, haben wir K.A.R.L.® entwickelt. Die Abkürzung steht für Köln.Assekuranz Risiko Lösungen. Mit K.A.R.L.® können Naturrisiken weltweit punktgenau aufgespürt, analysiert und konkret beziffert werden.
Die Zielobjekte, für die K.A.R.L.® entwickelt wurde, sind demnach bewegliche Güter – wo kommen Immobilien ins Spiel?
Reiner Lux: Sowohl die Fahrzeuge in dem beschriebenen Szenario als auch Immobilien unterliegen einem örtlichen Risiko für Naturereignisse, das Banken bewerten müssen – umso mehr, als dass diese im Zuge der Erderwärmung häufiger und intensiver auftreten. Und es gibt klare gesetzliche Vorgaben: Immobiliensicherheiten, die zur Minderung des Kreditrisikos eingesetzt werden sollen, müssen gemäß Artikel 208 Absatz 5 Capital Requirements Regulation (CRR, Kapitaladäquanzverordnung) angemessen versichert sein. Für Deckungswerte macht Paragraph 15 des Pfandbriefgesetzes detaillierte Vorgaben. Dieses lässt die Begrenzung auf einen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschrittenen Schaden bei Naturgefahren zu. Diese Limitierung muss jedoch überprüfbar und nachvollziehbar sein. Hier kommt K.A.R.L.® ins Spiel.
Bastian Biswurm: K.A.R.L.® ist bereits seit über elf Jahren in der Industrie im Einsatz und bietet ein etabliertes Konzept zur Analyse von Naturgefahrenexpositionen. Gemeinsam mit dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) haben wir das System entsprechend den gesetzlichen Anforderungen bei Hypothekendeckungswerten weiterentwickelt.
Reiner Lux: Wir haben K.A.R.L.® der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgestellt und das Signal erhalten, dass es grundsätzlich so eingesetzt werden kann. Auch bei der Umsetzung der EU-Taxonomie kann K.A.R.L.® eine wichtige Rolle spielen.
Wie funktioniert das Analyseverfahren für Immobilien?
Reiner Lux: K.A.R.L.® erstellt für jede gewünschte Adresse eine automatisierte Standortanalyse zu den Naturgefahren Überschwemmung, Sturmflut, Sturm, Hagel, Starkregen, Tornado, Erdbeben, Vulkanismus und Tsunami. Basierend auf eigens entwickelten Vulnerabilitäts-/Empfindlichkeitskurven werden innerhalb von Minuten die Höchstschadenquote und maximale Schadenhöhe bei Eintritt eines bestimmten Naturereignisses für jedes Objekt standortgenau berechnet. Die Besonderheit ist also, dass der Gebäudetyp als Bewertungskriterium (spezifische Vulnerabilität) ins Gutachten einfließt.
Bastian Biswurm: Der USP von K.A.R.L.® ist, dass es transparent weltweit vergleichbare Daten über alle relevanten akuten Naturgefahren liefert. Dadurch ist es auch für länderübergreifende Portfolios anwendbar.
Wie sieht dieses Gutachten aus?
Reiner Lux: Die Ergebnisse können sowohl in Form einer Kurzanalyse, einem sogenannten One-Pager, als auch in einem ausführlichen Langbericht ausgespielt werden, der alle Parameter zur Ermittlung möglicher Schadensverläufe enthält. Eine Quelle ist vdpResearch – über diesen Kanal nutzen bereits rund 40 Bewertungsgesellschaften K.A.R.L.®. Seit Anfang Oktober sind die Analysen auch im Onlineshop geoport von on-geo und damit für einen breiten Markt erhältlich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Gesprächspartner:
Bastian Biswurm ist Geschäftsführer der KA Köln.Assekuranz Agentur. Die national wie international tätige Zeichnungsagentur ist 100%-ige Tochter der ERGO Versicherung AG. Kerngeschäft ist die Absicherung von Personen und Gütern in Bewegung, wozu auch die Naturgefahren-Analyse gehört.
www.koeln-assekuranz.com
Reiner Lux ist Geschäftsführer der vdpResearch GmbH. Die von vdpResearch bereitgestellten Analyseergebnisse und Produkte sind in vielen Kreditinstituten wesentlicher Baustein für die Einschätzung und Bewertung von Markt- beziehungsweise Objektrisiken und tragen damit maßgeblich zur Transparenz in der deutschen Kreditwirtschaft bei.
www.vdpresearch.de